Forschungsidee
Die Identifizierung und Unterscheidung von Geweben bildet die Grundlage der operativen Therapie. Die intraoperative Gewebedifferenzierung reiht sich hierbei mit Verfahren der Bildgebung sowie der histopathologischen und laborchemischen Diagnostik in unterschiedliche, die Therapieentscheidung beeinflussende Szenarien ein. Neben einer verbesserten Diagnostik bleibt insbesondere die Minimierung des operativen Traumas bei vollständiger Tumorentfernung (R0-Resektion) ein wesentliches Ziel der Weiterentwicklung operativer Methoden. Insbesondere in der Onkologie mit dem Anspruch auf eine komplette Tumorresektion ermöglichen neue medizintechnische Methoden zur eindeutigen
Identifizierung von Tumorgewebe und dessen spezifische Abgrenzung zu gesundem Gewebe in allen räumlichen Dimensionen eine Minimierung der Schädigung des umliegenden Gewebes bei Erhalt funktionaler Gewebestrukturen. Eine zuverlässige Differenzierung zwischen gesundem und malignem Gewebe bietet die histopathologische Untersuchung des resezierten Gewebes, welche im Rahmen der Schnellschnittdiagnostik auch die intraoperative Entscheidungsfindung leitet und den heutigen Goldstandard darstellt. Gleichzeitig gibt es Potential den Zeitaufwand, die Qualität sowie die Gewebeschädigung zu reduzieren.
Schwerpunkt A: Sensorentwicklung
Verschiedene Studien zeigen, dass biologische Gewebe frequenzabhängige Unterschiede in der Impedanz und der Permittivität aufweisen. Eine Unterscheidung von gesundem und tumorösem Gewebe ist aufgrund der veränderten Physiologie (Steifigkeit, Wasser- und Salzgehalt, molekulare Zusammensetzung) und der dadurch verursachten Änderungen der dielektrischen Eigenschaften möglich. Es wurde bereits gezeigt, dass sich Tumorgewebe durch größere kapazitive Eigenschaften und eine erhöhte Permittivität auszeichnet. Im Fall von Brustkrebs existieren bereits Ansätze zur Klassifikation von gesundem und malignem Gewebe mithilfe Neuronaler Netze oder linearer Diskriminanzanalyse, bei welchen die Cole-Cole-Parameter oder ausgewählte Merkmale im Impedanzspektrum betrachtet werden. Bei Darmkrebs wurde sogar eine Unterscheidung der verschiedenen Tumorstadien aufgrund Messungen der relativen Permittivität gezeigt. Im Promotionsthema soll die Differenzierung von gesundem und malignem Gewebe auf Basis der Impedanzspektroskopie untersucht und weiterentwickelt werden. Im Gegensatz zur Detektion der elektrischen Eigenschaften zur Unterstützung von bildgebenden Verfahren in der präoperativen Diagnostik zielt dieses Projekt auf die Entwicklung von Verfahren zur intraoperativen Anwendungen ab. Als beispielhafter Eingriff dient die Blasentumor-Resektion.
Schwerpunkt B: Modellierung und Klassifikation
Um die in den Projekten A1-A5 erlangten multimodalen Sensordaten intraoperativ nutzen zu können, ist eine enge Verknüpfung der Projekte im Schwerpunkt B vorgesehen. Der intraoperative Informationsgewinn ist in eine übergeordnete prä- und postoperative Lernschleife eingebettet, welche die Zuverlässigkeitsaussagen stetig verbessern soll. Hierbei ist es essentiell, die intraoperativen Ergebnisse anhand des histopathologischen Schnellschnitts zu validieren. Zusätzlich zu den multimodalen Sensoren aus den Projekten A1-A5 wird das vorhandene intraoperative Kamerabild zur dynamischen bildgestützten Positionierung genutzt, das den Operateur bei der Ausrichtung der Instrumente unterstützt. Der datengetriebenen multimodalen Sensorfusion werden neben den reinen Sensorsignalen auch zugehörige Ortsinformationen sowie vorverarbeitete Gewebeparameter übergeben.
Eine sinnvolle Fusion der erhobenen multisensorischen Messdaten zur Klassifikation erfordert eine unterlagerte Lösung einiger technischer Probleme. Wo liegen die aufgenommenen Messpunkte? Wie sind die Zusammenhänge im Gewebe? Wie lassen sich die erhobenen Daten fusionieren und klassifizieren? Wie kann über verschiedene Patientinnen und Patienten hinweg gelernt werden? Hierfür wird eine domänenübergreifende Modellierung von Gewebe- und Sensoreigenschaften realisiert und die Schnittstelle zwischen den Schwerpunktgebieten „Sensorik“ und „Klassifikation“ darstellt, in welchem die Sensorinformationen zusammengeführt werden. Als Grundlage zur Gewebedifferenzierung wird vorausgesetzt, dass unterschiedliche Gewebezustände (z. B. benigne und maligne) unterschiedliche Eigenschaften haben, die sich wiederum durch domänenspezifische Gewebeparameter quantifizieren lassen. Es existieren kausale Zusammenhänge zwischen einem abnormen Zellmetabolismus und den optischen Absorptionsspektren oder zwischen den Änderungen im Zellverbund und dem Elastizitäts- bzw. Kompressionsverhalten. Als Konsequenz lässt sich mithilfe der Sensorik-Projekte im Graduiertenkolleg eine Auswahl an relevanten Gewebeparametern ableiten und messtechnisch erfassen, welche die Grundlage der Differenzierung darstellen. Um den Informationsgehalt mehrerer Sensorkanäle zu nutzen, muss das reine Sensorsignal mit einer konsistenten örtlichen Information versehen werden.
Ziel dieses Projekts ist es, mit Hilfe von aktuellen Methoden des maschinellen Lernens, die umfangreichen Datensätze, welche aus den unterschiedlichen Messverfahren resultieren, zu reduzieren und zusammenzuführen, um die Klassifikationsgüte und Robustheit der multimodalen Verfahren zur Gewebedifferenzierung zu erhöhen.
Schwerpunkt C: Chirurgie und Pathologie
In Kooperation mit den Universitätskliniken Tübingen werden den Promovierenden Gewebeproben zur Verfügung gestellt. Ferner arbeiten Ärzte im Rahmen der Projekte C1-C3 an Blasentumormodellen, der Validierung spektroskopischer Gewebedifferenzierungsverfahren und multiparametrischen Gewebeklassifikatoren.
Projektpartner
Das Projekt wird durch die DFG gefördert.
Bearbeiter

Zoltan Lovasz
M.Sc.Wissenschaftlicher Mitarbeiter
- Profil-Seite
- +49 711 685 66300
- E-Mail schreiben
- Raum 1.39

Matthias Ege
M.Sc.Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Franziska Krauß
M.Sc.Wissenschaftliche Mitarbeiterin